Die EU ist in eine politische Falle gelaufen: Herausforderungen, Fehler und Lösungen
Ehrlichkeit ist angesagt. Indem die Europäische Union es zugelassen hat, dass sich das Kosovo für unabhängig erklärt, ist sie in eine große politische Falle gelaufen. Dies wird ihre Innen- und Außenpolitik über viele Jahre schwer belasten. Wir haben diese Falle jahrelang beschrieben [1]. Die meisten Beobachter haben sie gesehen. Trotzdem haben unsere EU-Eliten wieder einmal auf einer Art und Weise gehandelt, die die gemeinsamen Interessen der EU verrät. Sie wollten damit entweder ihren kurzfristigen nationalen Interessen oder den Interessen ihrer ausländischen Herren (in diesem Fall in erster Linie Washington) dienen.
Bis die politische Führung der EU in der Lage ist, eine klare Vision für den Beitritt aller Balkan-Länder, die der EU noch nicht angehören, zu planen, werden die Europäer den innen- und außenpolitischen Konsequenzen der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht entkommen können. Die innenpolitischen Konsequenzen sind: Stärkung der Unabhängigkeitsbewegung in mehreren Regionen von EU Staaten, wachsende finanzielle und diplomatische Kosten von Friedensmissionen in einer zunehmend instabilen Region, ein sich beschleunigt entwickelndes organisiertes Verbrechen in der ganzen EU mit dem Balkan als privilegiertem Drehkreuz, usw. Die externen sind: ständiges Eingreifen der USA und Russlands, Einmischung der Türkei und anderer islamischer Länder in die Angelegenheiten der Region, usw.
Dadurch wird es für die EU noch komplizierter werden, überhaupt eine konsistente Politik für die Integration des gesamten Balkans in die EU zu entwickeln. Nur um zu unterstreichen wie inkonsistent die EU in dieser Frage ist, hier zwei Fakten, über die man sich Gedanken machen sollte:
– bezüglich Bosnien sagt die EU, dass mehrere ethnische Gruppen dazu gedrängt werden sollten, in einem einzigen Staat zusammenzuleben
– bezüglich des Kosovo sagt die EU, dass es für eine ethnische Gruppe legitim ist, sich von einem existierenden Staat abzuspalten. Wenn die Lage nicht so ernst wäre, dann könnte man über so ein willkürliches Verhalten, dass als internationales Recht getarnt daherkommt, lachen.
Kurz gesagt, die EU Eliten haben wieder einmal einen Weg gewählt, der viele Probleme bringen und die EU schwächen wird [2]. Wieder einmal schieben unsere so genannten ‚Führer’ Probleme auf, die dann von der nächsten Generation von EU Politikern gelöst werden müssen.
Nun, wir sind diese ‚nächste Generation’ und wir haben wirklich die Nase voll von dem Ausmaß an Inkompetenz, Willensschwäche und Irrelevanz, das die heutigen EU Eliten zeigen.
Deshalb wollen wir hier einige Dinge klarstellen, um einen Geschmack von dem zu geben, was die Realität von morgen sein wird, wenn wir die Angelegenheiten der EU in die Hand nehmen:
1. Die Unabhängigkeit des Kosovo ist eine Illusion, die das nächste Jahrzehnt nicht überdauern wird. Die politischen und historischen Trends, die jetzt in der Region wirken, werden zum Auseinanderbrechen des Kosovo und Bosniens in mehrere regionale Einheiten führen. Diese werden mit weitgehender Autonomie zu Serbien, Albanien und Kroatien kommen. Der einzige Grund, warum das Kosovo heute seine Unabhängigkeit erklären kann, sind die USA. In den kommenden 10 Jahren werden die USA nicht mehr in der Lage sein, eine signifikante politische Rolle innerhalb des Territoriums der EU zu spielen. Deshalb werden die Kosovaren, ohne die „Schöpfungskraft“ der USA für die Existenz eines unabhängigen Kosovo, dem Weg zur Integration in die EU folgen müssen.
2. Kosovo, Bosnien und alle diese Punkte stehen in direktem Zusammenhang mit dem Integrations-Prozess der EU. Die so genannten ‚Unabhängigkeitskräfte’ in Gebieten, die nur einfache Provinzen und nicht einmal Republiken des ehemaligen Jugoslawien waren, sind im Wesentlichen Gruppierungen, die außereuropäische (amerikanische, russische, türkische, …) Interessen verfolgen oder örtliche bzw. internationale Mafia-Gruppen. Eines der wichtigsten gemeinsamen Interessen dieser Drahtzieher besteht darin, die Region so zersplittert wie möglich zu halten, also außerhalb des Rechtsraums der EU, und so den jüngeren Generationen die Möglichkeit zu nehmen, den Weg zu Demokratie und Europäischer Integration zu bauen.
3. 2009, wenn Newropeans im Europa-Parlament sein wird, werden wir die „Balkan-Agenda 2014: Beendigung eines Jahrhunderts von europäischen Bürgerkriegen“ auf den Weg bringen, mit der wir einen klaren Beitrittsprozess für die Region anmahnen [3]. Wie schon in diesem Magazin dargestellt, wird der Fokus auf einer größeren Feier im Juli 2014 in Sarajevo liegen. Diese wird den Namen „Beendigung eines Jahrhunderts von europäischen Bürgerkriegen“ tragen und den entscheidenden Moment für die Aufnahme des Balkans in die EU markieren. Einige Länder werden schon 2014 beitreten, andere werden dann erst offiziell ihre Beitrittsverhandlungen aufnehmen, aber, egal wie es konkret aussieht, alle Länder der Region werden zu diesem Datum unterwegs zur EU sein. Eine europaweite Volksabstimmung über den Beitritt des Balkans wird im selben Jahr in der EU organisiert werden.
4. Ein spezieller Fokus sollte jetzt auf Albanien gerichtet werden, welches derzeit in eine Mischung aus US Flugzeugträger und Mafia Drehkreuz auf europäischem Boden transformiert wird. Die EU sollte den Schwerpunkt auf Albanien legen, mit dem Ziel, es 2014 bereit für den Weg zum EU Beitrittsprozess zu haben und dazu, die autonome Region Kosovo zu integrieren. Albanische Infrastruktur, albanisches Erziehungswesen, albanisches Rechtswesen, usw. müssen 2014 das durchschnittliche Niveau der ganzen Region erreichen. Es ist Zeit für die EU, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass Albanien im nächsten Jahrzehnt Teil der EU sein wird und dass es einen Schlüssel für die Stabilisierung der Region darstellt. Das bedeutet, dies muss eine EU Priorität für die Region werden anstatt einem ‚Relikt’, was es jetzt über ein Jahrzehnt war.
5. Ein langsamer, aber effektiver Prozess der Umwandlung der serbisch, albanisch und kroatisch sprechenden Regionen von Bosnien, Montenegro, Mazedonien und Kosovo sollte zum Ende dieses Jahrzehnts begonnen werden. Durch die Verwendung nur eines Bruchteils der Gelder, mit denen die Region jedes Jahr den EU-Haushalt und den der Mitgliedsländer belastet, wird ein ‚Umsiedlungs-Fond’ geschaffen. Mit diesem Fond soll der Umzug von Familien unterstützt werden, mit dem Ziel homogene politische Einheiten zu schaffen. 100.000 Euro pro Familie, für die die bereit sind, im ersten Jahr des fünfjährigen Umsiedlungsplans umzuziehen. 75.000 Euro pro Familie, wenn sie bis zum zweiten Jahr warten. Nur 50.000 Euro, wenn sie im dritten Jahr umziehen. Danach 10.000 Euro.
Wem so eine Politik zu tollkühn, zu politisch inkorrekt klingt, der sollte im Juni 2009 nicht für Newropeans stimmen. Aber wer, im Gegenteil, der Ansicht ist, dass die Zeit reif dafür ist, dass auf der Ebene der EU eine wirkliche Führung in Erscheinung tritt, die fähig ist, komplexe Herausforderungen wie diese auf innovative Art und Weise in Angriff zu nehmen, mit einer wirklich gemeinsamen europäischen Vision und dabei immer ausgehend von den Interessen der Menschen und nicht den „verbrieften“ Interessen der verschiedenen Mafia- und Nicht-EU-Gruppen, für den ist Newropeans die richtige politische Wahl.
Franck Biancheri (1961/2012)
Cannes - Frankreich
Übersetzt vom Englischen Christel Hahn: European Union – the betrayal of elites – Kosovo-Serbia-Bosnia-Balkans: A Political trap…
[1] Zum Beispiel haben wir jahrelang erklärt, warum die Unabhängigkeit des Kosovo weder im Interesse der EU noch im Interesse der Bevölkerungen des Balkan (einschließlich Kosovo) ist.
[2] Wie sie es schon gemacht haben mit ihrer Weigerung, eine Volksabstimmung über den neuen EU Vertrag abzuhalten oder mit der Weigerung, der Türkei ein annehmbares Angebot einer ‚strategischen Partnerschaft’ zu machen, statt der Illusion eines zukünftigen Beitritts. Übrigens ist es mehr als erstaunlich, zu sehen, dass viele EU Politiker vorgeben, auf ‚die Stimme des Volkes des Kosovo’ zu hören, aber nicht auf die Stimme ihrer eigenen Völker, wenn es um die Ratifizierung des EU Vertrags geht.
[3] Dieser politische Vorschlag wird im Frühjahr 2008 von den Newropeans Mitgliedern detailliert diskutiert und ihnen zur Annahme vorgeschlagen werden.